Michael Part

»Mercury et al.«

 

21er Haus, Wien

5. Dezember 2015 — 17. Jänner 2016

 

Michael Part arbeitet mit und über Fotografie. Seine Beschäftigung mit den technischen Bedingungen des Mediums ist eng an die frühe Geschichte der analogen Fotografie geknüpft. Parts Ausstellung »Mercury et al.« trägt Quecksilber im Titel – ein Element, das in der Daguerreotypie verwendet wurde, um das Bild in einem letzten Schritt herauszuarbeiten.
Die zwischen 1835 und 1839 entwickelte Daguerreotypie gilt als das erste praxistaugliche fotografische Verfahren. In eine Kamera wird dafür eine Platte eingesetzt deren Oberfläche mit Silbersalzen beschichtet ist. Die molekulare Struktur des Salzgitters wird durch Lichteinfall destabilisiert wodurch die Silbersalze zu metallischem Silber reduziert werden. Anschließend wird das Bild auf der Platte durch Quecksilberdämpfe verstärkt. Übrig bleibt eine Daguerreotypie, die dort silbern ist, wo wenig Licht einwirken konnte. Da kein Negativ verwendet wird, ist das Bild seitenverkehrt und außerdem ein Unikat. Im Gegensatz dazu werden beim Silbergelatine-Verfahren die Silbersalze nicht durch Lichteinfall, sondern durch eine Entwicklerflüssigkeit auf metallisches Silber reduziert wobei Seien zur Kontraststeuerung und Farbtonbeeinflussung eingesetzt werden kann. Selen wandelt das Silber in Silberselenid um, das eine chemisch stabilere Verbindung als reines Silber ist und Fotografien haltbarer und damit auch archivtauglicher macht. Ebendieses Selen steht in einer Reihe von Arbeiten Michael Parts im Vordergrund. Es sind Silberspiegel, auf denen sich farbige Muster abzeichnen. Die Spiegel wurden in einem Prozess angefertigt, der dem Silbergelatine-Verfahren ähnlich ist. Bei beiden Verfahren ist das Ausgangsmaterial Silbernitrat und das Resultat metallisches Silber. Allerdings wurde auf der Oberfläche der Spiegel kein Bild durch Licht festgehalten, stattdessen wurde Selen in einer wässrigen Lösung angewendet, wie es eben auch bei Silbergelatine-Prints gemacht wird. Dadurch entstehen verschiedene Muster, die die Selenanwendung sichtbar machen und so einen chemischen Prozess abbilden, aber keine Motive darstellen – da ja auch nichts belichtet wurde.
Als Ergänzung zum apparatlosen Verfahren bei den Spiegeln stellt die Diainstallation »Ohne Titel (Natriumdithionite et al.)« die Apparatur ins Zentrum. Auf einem Sockel steht ein Projektionsrack, in dem zwei Diaprojektoren angebracht sind. Davon ausgehend wird eine Sequenz von Bildern an gegenüberliegende Wände geworfen, die auf weitere Verfahrenstechniken der Fotografie verweisen und den Produktionsprozess der an den Außenwänden gezeigten spiegelnden Arbeiten sowohl inhaltlich als auch formal (nämlich über ihre Texturen) kontextualisieren.
Die Arbeiten von Michael Part stellen Fragen in den Raum, was das fotografische Bild ist, welche Rolle es vor allem in dokumentarischer Absicht einnimmt, wie es sich von anderen Medien unterscheidet und was das Lichtbild als solches überhaupt konstituiert. Die Werke tun dies anhand experimenteller Anordnungen, die die Substanzen rund um die bildgebenden Methoden in neue Kombinationen bringen. Die Funktion von Chemikalien wird unterlaufen, ohne deren Bezug zur Fotografie und zu ihrer Geschichte aus den Augen zu verlieren. Es wird zur Disposition gestellt, was die Fotografie darstellen kann, und nachgefragt, an welchem Punkt die Fotografie zum Bild wird. Wo das auf technischer Seite festgemacht werden kann und ob man es als Entwickeln oder Verstärken bezeichnet, ist mehr eine rhetorische Frage. Das titelgebende Quecksilber hat Part in seinen Arbeiten nämlich nicht benutzt – was wahrscheinlich auch besser so ist, war doch den ersten Daguerreotypisten aufgrund der Arbeit mit Quecksilberdämpfen eine durchaus kürzere Lebenszeit beschieden. In Anlehnung an die verschiedenen Behandlungsverfahren treibt Part aber so eine Narration voran, die einerseits außerhalb der Darstellung von Motiven liegt und andererseits die chemischen Prozesse zum Bildgegenstand macht – ein Unterfangen, das man als buchstäbliches »Zeichnen mit Licht« beschreiben könnte.

Michael Part, geboren 1979, lebt in Wien. Seine Arbeiten waren zuletzt u. a. in den Ausstellungen »Para/Fotografie« im Westfälischen Kunstverein (2015), »The day will come when photography revises« im Kunstverein in Hamburg (2015), »green postcard« bei lbid Projects, London (2015), »e.g., 2005-2014« in der Galerie Andreas Huber, Wien (2014) und »Occupy Painting« bei Autocenter, Berlin (2014), zu sehen.