Noële Ody

»Embrace the shit«

 

21er Raum im 21er Haus, Wien

15. Jänner — 23. Februar 2014

 

Noële Ody macht Skulpturen. Die sehen oft wie minimalistische, gar industrielle Strukturen aus, und folgen einer Logik die jenseits einer puren Ästhetik liegt. Ihr funktionales Aussehen ist kein skulpturales Gadget, sondern zentrales Element: meist prozessorientiert, versuchen sie den Betrachter miteinzubeziehen, und sich sowohl in Situationen einzupassen als auch welche zu erzeugen. 

Ihre Ausstellung im 21er Raum wirkt wie eine Wartehalle. Es ist ein Raum im Raum, an dessen Wänden sich ein Geländer entlangzieht, in dessen Mitte Bänke stehen auf denen ein Heftchen liegt und ein Getränkeautomat aufgestellt ist. Das doppelt geführte Geländer reicht um den ganzen Raum und endet links und rechts vom Eingang mit zwei überdimensionalen Händen. Der Ausstellungstitel „Embrace the shit“ ist auch der Titel dieser Arbeit, die die anderen Werke und die Besucherinnen und Besucher ganz buchstäblich umarmt. Die Installation ist speziell für die Ausstellung entstanden und von der Künstlerin bis auf die Schrauben von Hand gefertigt und mit einem schwarzen, glänzenden Lack gestrichen worden. Der Automat heißt „Hallo“ und hat eine Vorgeschichte. Ody hat ihn gemietet und in den Bildhauerateliers der Akademie der Bildenden Künste Wien in der Kurzbauergasse aufgestellt, und so die dort Produzierenden mit Getränken versorgt. Auch im Kunstverein Ve.Sch in der Schickanedergasse hat sie ihn für von ihr mitveranstaltete Abende regelmäßig im Ausstellungsraum platziert. Und nun steht er im 21er Raum, dient zwei darauf arrangierten Händen als Podest und den Besucherinnen und Besuchern zum Durststillen. Daneben sind Bänke mit dem Titel „Coretto al Banco“ aufgestellt, die von Ody für das Lokal Victus und Mili in der Neustiftgasse produziert wurden. Darauf liegt das „Book of Bills“, ein Heft das über Rechnungen die Ausstellung in ihrer ökonomischen Dimension dokumentiert.

Angelehnt an Bücher, deren Titel mit „Book of“ anfangen und mit einem Substantiv enden, versammelt es ohne zu werten Belege über die Arbeit, die im Zusammenhang mit der Ausstellung angefallen ist. Das Geländer mit den Riesenhänden wurde mit den Mitteln der Institution produziert und wurde auf Honorarnotenbasis abgegolten. Die Bänke sind ein Auftragswerk, das unter Verdacht steht Design zu sein. Der mietgekaufte Bierautomat wurde im Zuge der Ausstellung abbezahlt. Und er steht innerhalb der Ausstellung für ein Extrem, den „Real Deal“: Man steckt Geld rein und bekommt ein Getränke raus – das wohl unmittelbarste Geschäft. Auch die Bänke sind Produkt eines unmittelbaren Geschäfts, das auf stundenbasierter Abrechnung der erbrachten Arbeitsleistung basiert. Nur ist der ökonomische Status des Produkts unsicher, das industriell auch billiger hergestellt werden hätte können, und durch die Integration in die Ausstellung in seinem Wesen zwischen funktionalem Objekt und künstlerischem Werk zusätzlich verunklärt wird. 

Diese konzeptuellen Hintergründe der Produktionsbedingungen begleiten die Ausstellung und stehen den bildhauerischen Problemlösungsansätzen gegenüber. Das Verhältnis von Form zu Raum und Mensch und der nicht zu übersehende Oberflächenfetisch sind charakteristisch für die skulpturalen Qualitäten in Odys Werk. Genauso wichtig ist ein Verweis auf das Spiel der Künstlerin mit den Besucherinnen und Besuchern, denen sie den nötigen Halt und Anlass gibt, etwas länger zu verweilen und die kunstimmanenten Kreisläufe nachzuvollziehen.

Was Kunst ist, was künstlerische Arbeit bedeutet und wie sich die Künstlerin dadurch definiert? Das sind Fragen, die Noële Ody nicht beantworten kann und will. „Embrace the shit“ nennt sie ihre Ausstellung, ein schlechtes Motto das soviel bedeuten könnte wie „Dabeisein ist Alles“, setzt sich ein Partyhütchen auf und tanzt für uns. 

 

Noële Ody wurde 1982 in Starnberg, Deutschland, geboren und lebt und arbeitet in Wien. Letzte Ausstellungen u.a.: Bussi Baba, Elephant Art Space, Los Angeles; Grundfrage, CRAC Alsace, Altkirch (2013); caprihosenzeit (mit Gabriele Edlbauer), VMU art gallery 101, Kaunas; Wir treffen uns am Abend, Galerie Kamm/COCO bei Rosa, Berlin (2012).

 

Katalog zur Ausstellung:
21er Raum 2012 – 2016
Herausgegeben von Agnes Husslein-Arco und Severin Dünser
Mit Texten von Severin Dünser, Simon Dybbroe Møller, Paul Feigelfeld, Agnes Husslein-Arco, Lili Reynaud-Dewar und Luisa Ziaja über Ausstellungen von Anna-Sophie Berger, Andy Boot, Vittorio Brodmann, Andy Coolquitt, Simon Dybbroe Møller, Iman Issa, Barbara Kapusta, Susanne Kriemann, Adriana Lara, Till Megerle, Adrien Missika, Noële Ody, Sarah Ortmeyer, Mathias Pöschl, Rosa Rendl, Lili Reynaud-Dewar, Anja Ronacher, Constanze Schweiger, Zin Taylor, Philipp Timischl, Rita Vitorelli und Salvatore Viviano
Grafikdesign von Atelier Liska Wesle, Wien/Berlin
Deutsch/Englisch
Softcover, 21 × 29,7 cm, 272 Seiten, zahlreiche Abbildungen in Farbe
Belvedere, Wien, 2016
ISBN 978-3-903114-18-0